HOME
VITA
PHILOSOPHIE
GALERIE
KONTAKT

Philosophie





Papier fasziniert mich durch seine Zerbrechlichkeit und Transparenz. Getrocknete Blüten und Blätter haben dieselben Eigenschaften. Durch die Verwendung dieser Materialien in meinen Kreationen findet eine bizarre Verfremdung statt.

Zeit ist ein wichtiger Bestandteil meiner künstlerischen Arbeit - um ein Kleidungsstück aus Papier herzustellen und es mit getrockneten Blüten zu vervollständigen, um in der Natur, meiner Inspirationsquelle, und in der Stadt, meinem Lebensumfeld, Ideen reifen zu lassen.


„Audienz bei einer Göttin“

Über das fließende Licht der Gottheit an den Papierkleidern Susanna Cianfarinis, zur Eröffnung ihrer Ausstellung auf dem Pfingstberg in Potsdam. Von Norbert Hummelt.

Auf eine Audienz bei der Göttin Pomona mußte ich bis heute warten. Ihr Name erschien mir aber schon in meiner Kindheit, in Neuss am Rhein. Dort gibt es einen Stadtteil, der Pomona heißt, was auch in diesem Fall auf einen Obstgarten zurückgeht, und innerhalb dieses Stadtteils eine Straße mit Nam en Pomona. Sie stand im Ruf, eine besonders exclusive Wohngegend zu sein, so daß ich kaum hoffen durfte, dort je zu einer Audienz vorgelassen zu werden, wenn auch, meines Wissens, keine Götter dort wohnten. Ich glaube nicht einmal, daß ich jemals in dieser Straße ging, sie war mir nur vom Hörensagen bekannt, wie ein Mythos, eine Sage. Diese Pomona also blieb mir verschlossen.

Den ganzen Artikel als Pdf hier lesen.

 

Wenn ein Cancan-Rock das Selbstbild ruiniert

von Meike Winnemuth stern.de

Als Susanna Cianfarini ein Porträt von ihr anfertigen will, quält sich die Kolumnistin Meike Winnemuth mit einer Frage: Bin ich ein Kniestrumpf? Denn die italienische Künstlerin porträtiert ihre Zeitgenossen mit Kleidungsstücken.

Den ganzen Artikel als Pdf hier lesen.

 

Überlegungen zum Konzept Mode/Haut

von Dr. Rainer Paul

Meine Überlegungen zu Susanna Cianfarinis „Papier-Kunst“ orientieren sich an Klees Aussage Kunst solle nichts zeigen, sondern etwas sichtbar machen und deshalb möchte ich vorstellen was für mich sichtbar gemacht wurde. Schon die auch hier verwendete Bezeichnung „Papier-Kleider“ könnte ja nahelegen, diese Objekte seien nicht ganz ernst zu nehmen. Ich halte diese Kunst aber für einen besonders originellen und eigenständigen Kommentar zur einem menschlichen Grundbedürfnis, sich zu kleiden, geschützt nach innen und außen zu sein.

Kleidung ist für mich sehr nahe an der Haut. Die Haut ist sowohl Ausdrucksorgan (z.B. „rot werden“ „mich juckt es“ usf.), also kommunikativ, als auch das Organ, das nach Außen abschließt. Über die Haut entstehen durch Berührung die ersten sozialen Erfahrungen, gleichzeitig auch die ersten Erfahrungen, sich als getrennt vom Anderen zu erleben: „In der Haut eingeschlossen“, „Nicht aus der eigenen Haut können“- die Metaphern sind da endlos. Zwei Psychoanalytiker, Didier Anzieu und Esther Bick haben die Rolle der Haut bei der Entstehung des Ichs, der ersten psychischen Strukturen überhaupt, herausgearbeitet: Damit ein Innenleben entsteht braucht es diese äußere Grenze der Haut, transferiert in eine innere Struktur, ein Ich, das sich abschließen aber auch öffnen kann. Ist diese Grenze in den frühen Interkationen mit den ersten Bindungsfiguren nicht aufgebaut worden, benötigt das Kind eine/entwickelt das Kind eine „Zweithaut“, die die Funktion der Abgrenzung und haltenden Hülle übernimmt. Diese Zweithaut oder „second skin“ kann in Allergien bestehen in Juckreiz, in offener, poröser Haut also in vielfältigen Formen von Funktionsstörungen der Haut, wenn nicht gar in Hauterkrankungen. Durch die beständige Stimulation der äußeren Hülle, z.B. im Juckreiz wird auf eine zweite Art und Weise eine Grenze zwischen Innen und Außen errichtet, sozusagen ein Notbehelf. Andere Formen diese Abgrenzung sekundär zu erzeugen sind zum Beispiel erhöhte Muskelspannung, Schmerzen oder motorisch-aggressive Auseinandersetzungen mit andern, bis hin zur Provokation von Prügeln. Alle diese Phänomene lassen sich in der psychischen Funktion als Zweithautphänomene zusammenfassen, alles Stimulationen der Grenze, die nicht sicher etabliert ist.

Ich schlage vor, die papierenen Kleidungsstücke von Susanna Cianfarini vor diesem Hintergrund als „second skin“ zu betrachten, vielleicht lässt sich Kleidung überhaupt unter diesem psychischen Gesichtspunkt verstehen, jedenfalls als ein Aspekt der Kleidung. Kleidung ist eine sozial vermittelte zweite Haut, also eine selbstgewählte, induzierte und somit besondere Form der „social skin“. Die Objekte von Susanna Cianfarini machen für mich nun sichtbar, wie fragil diese zweite, diese „Mode“- Haut ist und wie sie den Träger verhüllt, aber auch in seiner Bewegungsfreiheit hindert. Die papierne Haut gibt eben nicht diese Sicherheit, die Mode seinem Träger zu verleihen verspricht. Obwohl sie kleidet, bleibt der Bekleidete immer verletzbar, seine erste Haut scheint durch. Darin erinnern Cianfarinis Kleidungsstücke an die Bekleidung von Figuren auf Botticellis Gemälden (insbesondere die „Primavera“), in denen die Kleidung immer durchscheinend gemalt ist, den Körper noch zeigt, obwohl sie ihn umhüllt. Genauso wie in der Renaissancemalerei selbst der bekleidete Körper wieder

zu seinem Recht kam, geben die papiernen Kleider- den Körper wieder frei und fragen nach dem antiken Ideal eines Körpers, der für sich steht ohne bekleidet oder umhüllt zu sein. Cianfarinis Kleider fragen nach dem selbstbewussten autonomen Individuum, das selbst Verengungen und Verunstaltungen durch die sozialen Haut abstreift.. Dadurch wird ein treffender ironischer Kommentar zur Mode überhaupt gegeben, die ja verspricht, durch Kleidung Leute zu machen.
Noch ein Wort zum Eichenlaub: Die Nazis kreierten im II. Weltkrieg den Orden der Ritterkreuzer für besondere Verdienste im Kriege. In den höheren Stufen dieses Ordens war er mit Eichenlaub versehen, die Träger dieses Ordens nannte man dementsprechend „Eichenlaubträger“. Die Träger der Orden wurden behandelt wie Stars, in Schulen und Verbänden herumgereicht, hatten hohe Privilegien. Der Uniformmantel mit Eichenlaub karikiert diese Überhöhung m.E. in besonders gelungener Weise: Indem das Eichenlaub nur noch unvollständig und fragil kleidet hebt es die Idealisierung der „Eichenlaubträger“ auf.